Auf meiner Fahrt nach Okzitanien saß mir nach einer langen schlaflosen Nacht einer Derwisch gegenüber. Ich wusste nicht galt seinen Murmeln mir oder beschwor er das Morgenlicht draußen zwischen den Tunneln und Brücken. Den Vogelgesang.
Ein Wesir, so murmelte er, brachte einem reichen Kaufmann den Schatz des Kalifen. Hüte ihn, sagte er dem erstaunten Kaufmann, denn der Kalif wird ihn eines Tages einfordern. Hüte ihn wie dein Augenlicht. Keine Dukate, kein Goldbecher, kein Edelstein soll fehlen. Umsorge die Tapisserien, dass sie nicht Wind und Wetter ausgesetzt sind. Schone die Schätze vor zu viel Sonnenlicht, vor zu viel Schatten. Vor Regen und Eis. Beschütze sie vor Raub und Schaden.
Was soll mein Lohn dafür sein? fragte der Kaufmann.
Dein Lohn? Du hütest den Schatz des Kalifen. Das soll dir Lohn genug sein! Und der Wesir verschwand und der Kaufmann hütete den Schatz. Und ward reich dafür belohnt.
Der Derwisch murmelte weiter, zischelte weiter. Besang weiter die ersten Sonnenstrahlen des Morgens, das Tock Tock der Eisenbahnschienen. Ich verstand immer weniger von seinen Gemurmel. Und kurz vor Nimes war er verschwunden.
Mit dem Vatersein ist es - so verstehe ich heute - wie mit dem Kaufmann und dem Kalifen.
Mir wurde ein Schatz anvertraut. Anvertraut ihn hüten. Mehr als mein Augenlicht. Es ist mir der wertvollste Schatz zwischen Abend und Morgenland. Er gehört mir aber nicht.
Darum fragt mich nicht - ist das Dein Kind? Fragt viel eher - bist du der Vater dieses Kindes?
Ist dir dieser Schatz anvertraut? Gehörst Du zu ihm?
Denn es gehört mir nicht! Es ist der wertvollste Schatz um den ich mich zu sorgen habe und ist dennoch nicht meins. Nicht mein Haus. Mein Garten. Mein Besitz.
Ich bin Hüter auf Zeit. Denn eines Tages muss ich es ziehen lassen. Wird es sich selbst Kalifin.
Und ich bin reich belohnt.